Shopping-Wahn! Wenn das Gehirn aussetzt

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Mein Blick löst sich von meinem roséfarbenem Iphone und schweift über die Geschäfte des Camarillo Outlets nördlich von Los Angeles. Bei strahlendem Sonnenschein unter Palmen in 160 Geschäften shoppen gehen. Eine meiner absoluten Lieblingsbeschäftigigungen zwei Tage nach meiner Ankunft am Flughafen LAX. Ich bin nun seit genau einem Jahr auf Instagram und nun macht das Shoppen sogar noch mehr Spaß, da jedes neue Outfit vorgeführt und gebührend gelobt werden kann. Ich bin ein wandelnder Kleiderständer geworden. Ein studierter Kleiderständer.

Schnell schicke ich meinen Standort über Whatsapp an einen Freund in Hamburg. Zufällig schreiben wir immer genau dann, wenn ich gerade durch die Geschäfte stöbere und seine Antwort ist ein Augenrollen als Zeichen dafür, dass er Shopping nicht ausstehen kann.

Eigentlich lege ich in diesen Momenten das Handy in meine Handtasche um mich weiter durch Kleider, Röcke und Schuhe zu wühlen. Heute bleibe ich stehen und schaue mich um.

Ich habe meine Seele verkauft. An Instagram, an meine Follower und an die Labels um mich herum. Noch vor zwei Jahren habe ich mich mit der Herstellung von fairer Kleidung beschäftigt und in meinem wissenschaftlichen Studium angefangen dazu zu forschen.

Rosa Schühchen und Spitzenkleidchen haben es geschafft, dass es mir egal wurde woher diese Kleidung stammt und ob kleine Kinderhände sie genäht haben könnten.

Ich schäme mich vor mir selbst. Es ist keiner hier der über mich urteilt und dennoch ist es mir unsagbar peinlich, wie ich gehandelt habe. Ohne Sinn und Verstand.

Ein paar Wochen später fliege ich mit deutlich weniger Einkäufen zurück nach Deutschland als sonst bei meinen Besuchen in LA. Zuhause weiß ich nicht so recht was ich nun machen soll mit diesen Gefühlen. Ich liebe meine Follower auf Instagram. Soll ich weiter machen wie zu vor? Oder einfach keine Outfits mehr posten? Also mich persönlich gar nicht mehr zeigen? Ich möchte einfach weiterhin ich sein und suche in meinem Atelier nach der Literatur von vor zwei Jahren. Bücher mit dem Namen: „Todschick – edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert“, „Dreimal anziehen, weg damit – was ist der wirkliche Preis für T-Shirts, Jeans und Co?“ „Overdressed – The shockingly high cost of cheap fashion“ fallen mir ins Auge und erinnern mich an die Anfänge meiner Forschung über Mode.

Am Wochenende schaue ich mir Reportagen wie z.B. „Mode schlägt Moral“ über die Herstellung von Mode und die Arbeitsbedingungen an. Als ich mit Tränen die Reportage über ein 12-Jähriges Mädchen sehe, welches jeden Tag 16 Stunden im Stehen in der Fabrik arbeitet und nicht mehr in die Schule gehen kann, da ihre Familie zu wenig Geld hat, bin ich an einem Punkt, wo ich weiß, dass ich selbst etwas ändern muss.

Ich sehe, dass selbst der Markt an Second-Hand Kleidung schon gesättigt ist, so dass einige Institutionen keine Kleidung mehr annehmen. Ein totaler Konsumrausch.

Ich öffne die Türen meines Kleiderschrankes und stelle fest:

I have enough clothing to open a store.

Schockierend! Ich möchte den Selbstversuch testen. Ein Jahr lang werde ich nur aus dem Inhalt dieses Schrankes leben und darüber Tagebuch führen. Keine neue Kleidung und keine Second-Hand Kleidung. Wie viel Potenzial steckt eigentlich in meinem Schrank? Kaufe ich so viel weil ich es brauche oder ist eine Art von Befriedigung? In diesem Jahr werde ich mich weiter zum Thema Faire Kleldung informieren und über Labels und Arbeitsbedingungen, die nicht fair sind. Das alles wird auf meinem Blog zu lesen sein. Was nach einem Jahr ist, weiß ich an diesem Punkt noch nicht aber wie heißt es so schön? Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen.

Am 1. Dezember geht es los, ich öffne meine Schranktüren und halte den Inhalt auf neuen Blogbeiträgen und auf Instagram fest.

Und weißt Du was bereits heute jetzt und hier in diesem Moment stattgefunden hat? Während ich das alles schreibe, fühle ich mich erleichtert. Erleichtert darüber das ich das nicht weiter unterstützen muss. Mein erster Schritt.

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